Neulich bekam ich Post von der Paßstelle der Stadt. Auf dem Informationsblatt wurde mir mitgeteilt, daß mein Personalausweis und der Reisepass ungültig würden. Bis Ende Dezember diesen Jahres hätte ich Zeit für eine Verlängerung des Persos, beziehungsweise Beantragung eines neuen Passes. Dafür sollte ich ein aktuelles Lichtbild mitbringen, ggf. eine Geburtsurkunde und so weiter. Ich legte den Brief zur Seite und überlegte, was ich alles brauchte um an neue Papiere zu kommen. Beim suchen nach neuen Passfotos, stellte ich fest, das meine Passfotos in der Schublade meines Schreibtisches etwas betagt waren. Meine schmucken Profilfotos waren wirklich schon 10 Jahre alt, nicht gerade neu…..also es war einmal…..
einer dieser Momente, wo man sich selbst wundert, das soviel Zeit vergangen ist. Für meine neuen Pässe brauchte ich also neue Fotos. Wo sollte ich jetzt neue machen lassen ? Eine in jeder Dekade wiederkehrende Frage, wichtig, da ich nicht die Qualität eines Fotoautomaten habe möchte, der Marke schwarz weiß mit Bildpunkten, also werde ich beim Fotografen vorbei schauen. Mit dem Schalk im Nacken machte ich ein paar Probebilder mit meinem Händi. So ein Selbstbild, ein Selfie, reicht doch vollkommen aus oder ? Ich verwarf den Gedanken, ging ich in den Keller, schmökerte in alten Fotoalben. So richtige Fotos auf Papier hatten Stil und jedes einzelne erzählte einer Geschichte. Im Laufe der Jahre, sammelte sich an diesem Ort unseres Hauses alles an, was nicht tagtäglich gebraucht wurde. In einem Ordner fand ich alle wichtigen Dokumente, meine Geburtsurkunde, dabei fiel mir das Familienstammbuch in die Hände. Dieses kleine Buch hatte schon etliche Jahrzehnte auf dem Buckel. Vorsichtig blätterte ich die ersten Seiten auf. Vater geboren 1917, Opa geboren 1880, Uropa 18……hier konnte ich die Schrift nicht mehr erkennen. Es fehlten ein paar Seiten, auch der Name von dem, der dieses Stammbuch geführt hatte, war mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen. Weitere lose Blätter, Heiratsurkunden, in der Mitte des Buches steckend, ein vergilbtes Papier noch erkennbar das Geburtsdatum vom meiner Mutter, 1922, wann Oma und Opa mütterlicherseits geboren waren, nicht mehr lesbar. „Hier mußte was getan werden, bevor sich meine liebe Familie in Staub und Luft auflöst“, sinnierte ich vor mir hin. Ich sollte ein neues Familienbuch anlegen. Die Lust an der Ahnenforschung loderte in mir. Alles noch mal vorn. Meine gefundene Geburtsurkunde legte ich fein säuberlich auf den Schreibtisch. Ich schnappte mir einen Block und schrieb auf, was mir so alles einfiel. Bei der väterlichen Familienlinie war alles geordnet und überschaubar. Väterlicherseits waren vom Uropa bis zu meinem Vater alle in Neustettin geboren. Der Geburtsort meine Mutter war Lankow bei Schwerin, die Geburtsstätte von Oma mütterlicherseits unbekannt. Meine Mutter brachte 5 Kinder mit in die Familie, mein Vater 3 Nachkommen. Ganz klar für den geübten Historiker, hier wurde im Laufe des Lebens mehrmals geheiratet. Ich lag nach Durchsicht der Urkunden richtig, für meinen Vater und meine Mutter war es die zweite Ehe und ich war das Erzeugnis Ihrer Liebe. Meine 8 Halbgeschwister konnte ich mir bis hierhin erklären. Für einen Moment zurückblickend, waren alle meine Geschwister ja schon lange aus dem Haus, als ich in Hamburg 1963 geboren wurde. Einzelkind in einer großen Familie, nun steckte ich tief in der eigenen Familienchronik, um mich nicht zu verzetteln, kontrollierte ich meine gemachten Anhaltspunkte. Es fiel mir ein, daß mein Vater mindestens einen Bruder und eine Schwester hatte, hier endete der Weg, weiter kam ich nicht. Meine Mutter hatte 4 Schwestern. Meine Oma mütterlicherseits hatte 3 mal geheiratet.
„Moment mal“, dachte ich und ging zeitlich nochmal das Jahrhundert durch. Tatsächlich fand ich heraus, das Oma Kinder bekommen hatte, auch ohne verheiratet zu sein. Ein Skandal und das alles zwischen 1910 bis 1921. Ich mußte schallend lachend, da mir plötzlich die Geschichte der spanischen Fliege einfiel. – Die spanische Fliege, eine Verwechslungskomödie, in deren Verlauf der Geschichte ein junger Erwachsener sich aufmacht, seinen wahren Erzeuger zu suchen und eine Auswahl von vielen in Frage kommenden Vätern in einer Kleinstadt hat. Seine Mutter war eine berühmt, berüchtigte Varieté Künstlern. Eine dieser Väter, erkennt Ihn als seinen Sohn an. Nur um den Skandal zu vermeiden, da die Ehefrau des neu gefundenen Vaters Vorsitzende im ehrenwerten Verein für Anstatt und Sitte ist, kann dieser werte Gentleman seinen außerehelichen Nachkommen nicht anerkennen. Ein anderer Vater aus der selben Stadt sieht sich als der leibliche Vater des Kindes an, nur ist dieser Herr in der selben misslichen Lage wie sein Vorgänger, er kann seinen Sohn nicht ohne weiteres anerkennen. Über all lauern Hindernisse, die ganzen Familien in den Ruin treiben könnten. Gerüchte und Erzählungen machen in der Stadt die Runde. Das Ansehen in der Öffentlichkeit wird hier in dieser gespielten Posse groß geschrieben. Das Ende des Stückes lasse ich offen. Wer gerne ins Theater geht, sollte sich ein in Mundart gespieltes Stück aussuchen, da es im gespielten Dialekt besser rüber kommt und die Dialoge eine Priese witziger werden. Natürlich liegt es auch bei den Schauspielern, die das Stück vortragen. –
Ein paar Tage später war ich in der städtischen Anmeldestelle, dem Paßamt. Vorbei die Zeiten der engen Räume und Flure, ein großes freundliches Besucherzimmer erwartete mich, das Ende des Raumes durch eine Trennwand geteilt, hinter dem die Kundenmitarbeiter Ihre Arbeit verrichteten. Ein Wartemarkenautomaten mit großer Aufruftafel, rief mit einem Klingelzeichen die wartenden Leute nach der Reihe zu den einzelnen freien Schalterbeamten auf. Vor mir saßen gut 10 Besucher, vermutlich alle mit dem selben Anliegen. Gemütlich lehnte ich mich zurück und döste vor mir her. Im Geiste studierte ich meinen mitgebrachten Familienzettel. Ich war 13 facher Onkel und ebenso vielfacher Ur-Onkel. Beim besten Willen konnte ich nicht sagen, wo alle wann geboren wurden und meine Mutters singende und tanzende Oma konnte ich nicht mehr fragen. Ganz ruhig, dachte ich, das ist bestimmt nicht so wichtig und spielt gar keine Rolle. Ein Klingeln ertönte, die Nummer der Aufruftafel stimmte mit meiner Wartemarkennummer überein. Mit einem Blick auf mein neues Profilfoto, trat ich in die Amtstube ein. Nach ein paar Minuten waren alle Formulare ausgefüllt und fertig gestellt. Wie gut, daß meine Geburtsurkunde ausreichte um festzustellen, das ich ich bin, vielleicht hätte ich sonst die Geschichte der spanischen Fliege erzählen müssen…..
für alle die bei sich bei diesem Thema nicht angesprochen fühlen, einen lieben Gruß von meiner Oma…………………………………..mein youtube Kanal………………………
Bis zum nächsten Mal, wünsche ich eine schöne Woche. Es grüßt ein Exil lebender Hamburger in NRW
Erdi Gorch Fock
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